Hundert Punkte für ein Lächeln

Neugierig guckt Hubert Albrecht* um die Ecke. Vorsichtig, damit er nicht entdeckt wird. Er hört das Lachen und den Klamauk, will wissen was da los ist. Auf dem Sofa sitzt Reni Schmittke*, seine Zimmernachbarin. Er erkennt sie gleich. Aber wer sitzt neben ihr? Jemand im geringelten Pulli und mit Hosenträgern, Flicken auf den Knien, karierten Latschen und im Gesicht eine rote Knautschnase. Ein Clown?

Was will der hier und worüber lachen Reni Schmittke und dieser Clown? Sein Interesse steigt und er nähert sich den beiden. Längst hat der Clown den 88-jährigen Bewohner bemerkt, erhebt sich schwerfällig und geräuschvoll von seinem Sitz, hält sich den gekrümmten Rücken. Dann streckt und reckt er sich genüsslich, bis sein Gesicht wieder strahlt. Tief in seiner Hosentasche kramt er herum. Darinklappert es tüchtig und er zieht ein gelbes Tuch heraus, mit dem er theatralisch seinen Sitz freiwedelt. Mit einer großen Geste lädt er Hubert Albrecht ein, Platz zu nehmen.

Seine erfrischende und etwas tollpatschige Art macht den Senioren neugierig. Er setzt sich und beobachtet das Spiel, während der Clown sein Lied wieder anstimmt und singt „Hoch auf dem grünen Wagen“. „Gelb! Gelb!“, ruft Reni Schmittke und lacht über das Missgeschick des Clowns. Durch seinen vermeintlichen Fehler entdecken die Seniorin und Hubert Albrecht wieder ihre Fähigkeiten.

Der KATHARINENHOF AM LUNAPARK bekommt regelmäßig Besuch von den Clowns. Die Senior:innen profitieren von der emotionalen Zuwendung, die die Clowns zu den Visiten mitbringen. Denn die meisten Bewohner:innen leiden unter der Einschränkung ihrer Mobilität, ihrer Erinnerung und Wahrnehmung. Hier helfen die Clowns – ganz ohne Mitleid, dafür mit viel Gespür für den Augenblick, Respekt und Einfühlungsvermögen.

Sie sprechen, singen, musizieren, spielen und lachen – einfühlsam gehen die Clowns auf die individuellen Bedürfnisse der Senior:innen ein, machen ihren Alltag bunter und leichter. Doch die Clowns sind nicht nur ‚Spaßmacher‘. Sie ergänzen den pflegerischen Alltag mit ihrem Wissen über Kommunikation, Sterbebegleitung und verschiedene Krankheitsbilder wie Demenz oder Alzheimer.

Alle Clowns sind professionell ausgebildete Künstler. Sie gehören zu dem dreijährigen Modellprojekt „Humor in der Pflege – für die seelische Gesundheit“, dass von dem ROTE NASEN Deutschland e. V. und der AOK PLUS gestartet wurde. Gemeinsam mit dem KATHARINENHOF AM LUNAPARK wollen sie den Beweis antreten, dass jeder Humor erlernen und bewusst einsetzten kann, um Belastungen leichter zu bewältigen.

Darum profitieren auch die Mitarbeitenden von dem Projekt: Ob in der Pflege, Betreuung, Hauswirtschaft, Küche, Haustechnik oder Verwaltung – in den Workshops werden sie zu Humor-Agent:innen ausgebildet. Schulungen zu Themen wie Hygiene und Brandschutz bekommen alle. Aber jetzt lernen die Mitarbeitenden, auf sich selbst zu achten. Denn im Mittelpunkt der Ausbildung stehen die eigene psychische Gesundheit und Resilienz.

Ende März bekamen die ersten ihr Zertifikat zum Humor-Agenten und wissen, dass für Spaß bei der Arbeit immer Zeit ist. Sie gehen humorvoller mit Fehlern und Missgeschicken um, können Sorgen besser loslassen und helfen den Bewohner:innen wie auch Kolleg:innen mit ein wenig Improvisation, sich in turbulenten Momenten nicht unterkriegen zu lassen.

Das Weiterbildungsprogramm trainiert Humor als Haltung und gibt Hilfestellung bei Überlastung und Stress im Pflegealltag. Die ausgebildeten Humor-Agenten fördern die Empathie und Wertschätzung. Begleitet wird das Projekt mit einer wissenschaftlichen Studie der Universität Flensburg.

Die Aktion „Humor in der Pflege – für die seelische Gesundheit“ zeigt bereits nach kurzer Zeit Wirkung und alle sind überzeugt:

„Wir brauchen mehr fröhliche Momente und Zuversicht. Mehr Zeit und Raum für ein Lächeln, für mehr Mitmenschlichkeit und Humor – auch am Arbeitsplatz.“

Das sind doch jede Menge Gründe, warum die Clowns und Humor-Agenten Spaß ernst nehmen.

*Namen von der Redaktion geändert