Sie heißt „Kleine Anke“, auf Kroatisch Ankica, denn ihre Großmutter hieß auch Anke. Was für eine schöne Erinnerung an eine besondere Frau. An die Frau, bei der Ankica Sebalj aufwuchs, in einem kleinen Dorf nahe Zagreb. An die Frau, deren Haus im Kroatien-Krieg völlig ausbrannte. Von dem nichts übrig blieb außer Schutt und Asche. Und ein einziger Kochtopf, unter Steinen verborgen. Das Familienhaus von Ankica ist nicht mehr da, dafür eine Vielzahl an Erinnerungen, an schöne aus ihrer Kindheit, an tragische aus den Kriegsjahren. Und trotz oder gerade wegen der Ereignisse hat Ankica gelernt, wie sie eine durchweg positive Grundhaltung durchs Leben trägt. Als der Krieg 1991 begann, lebte sie mit ihren Geschwistern in der Hauptstadt Zagreb in einem Plattenbau, 19. Etage. Sie wurden evakuiert und waren Flüchtlinge in der eigenen Stadt. Ihre Mutter lebte zu dem Zeitpunkt in Berlin und über Korridore für Schutzsuchende konnten die drei Geschwister mit dem Bus nach Deutschland fliehen. Alles aufgeben, alles hinter sich lassen, nur mitnehmen, was in eine Tasche passt. Rausgerissen aus dem vertrauten Leben und ihrem Umfeld, die Pläne der jungen Frau verschüttet. Sieht Ankica heute die Bilder im Fernsehen über den Ukraine-Krieg, fühlt sie sich an ihre Jugend im Krieg erinnert. In Deutschland eingetroffen, brauchte sie zwei Jahre, um das Erlebte zu verkraften und im neuen Land anzukommen. Bis ihr bewusst wurde: Wenn der Mensch gesund ist und einen festen Glauben hat, dann schafft er alles. Ankica ist es gelungen, sie ist hier seit 30 Jahren fest verwurzelt. „Wirklich schon 30 Jahre“, staunt sie selbst und muss lachen. Staunen, weil sie nie gedacht hätte, so lange zu bleiben. Staunen, weil sie in ein anderes Land ging. Nicht als Touristin, sondern auf der Flucht. Ohne Telefon, ohne klare Zukunft. Und sie staunt, wenn sie heute junge Menschen und all ihre Möglichkeiten sieht, ins Ausland zu gehen und via Internet überallhin Kontakt zu halten. Dann freut sie sich über die Perspektiven der Jugend, sieht manches aber auch mit Skepsis. Was Ankica so stark macht und geprägt hat, ist ihre Haltung, nicht zu werten, nicht zu vergleichen. Für sie gibt es kein Besser oder Schlechter, es gibt nur ein „Anders“.
Sie liebt ihre Arbeit im KATHARINENHOF in Berlin-Friedenau als Betreuungsassistentin in einem bunten Team. Egal ob eine Kollegin aus Brasilien oder Gambia stammt, Ankica freut sich an so manchen Parallelen. „Wie das Fadenspiel ‚Abnehmen‘. Das habe ich als Kind gespielt – und meine Kolleginnen, die auf ganz anderen Kontinenten aufgewachsen sind, auch. Ist das nicht erstaunlich? Über solche Gemeinsamkeiten freue ich mich“, erzählt sie begeistert. Überhaupt hat sie eine große Freude am Umgang mit Menschen, vor allem mit den alten und kranken in ihrem Beruf. Es macht sie glücklich zu erleben, wie sie Menschen mit Demenz erreichen kann. Wie sie durch ihre liebevolle und intuitive Anleitung plötzlich wieder malen oder ein Bewohner nach monatelangem Schweigen mit ihr die ersten Worte wechselt. Das ist es, was sie erfüllt und trägt und warum sie gerne zur Arbeit kommt. Und ganz nebenbei lernt sie sich selbst noch ein bisschen besser kennen und freut sich über das Leben und das, was es ihr zu bieten hat.
Ankica ist eine zufriedene Frau, die Kleinigkeiten zu schätzen weiß, sich mit Ende 50 für die Altenpflege entschieden hat und ein Happy End erlebt: im Leben und im Beruf.